Donnerstag, Dezember 11, 2025

Von Bildern zu Videos: Midjourneys V1-Launch und der Kampf um KI-Copyright

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Das KI-Bildgenerierungs-Phänomen wagt den Sprung ins Video-Segment, während Hollywood die Anwälte schärft. Willkommen in der Zukunft – sie wird chaotisch.

Es ist 18. Juni 2025, und David Holz sitzt vermutlich gerade in seinem Büro in San Francisco und grinst. Warum? Weil sein kleines Startup namens Midjourney gerade eben den gesamten Video-KI-Markt aufgemischt hat – mit einem 10-Dollar-Produkt, das jeder nutzen kann. Und weil Disney und Universal vermutlich gerade ihre Anwälte auf Vollgas schalten.

Gestern hat Midjourney sein V1-Videomodell gelauncht, und die ersten Reaktionen sind… interessant. „Es übertrifft alle meine Erwartungen“, twitterte Phi Hoang von Perplexity AI, während irgendwo in Burbank die Studiomagnaten wahrscheinlich in die Tischkante beißen.

Die kleine Revolution für 10 Dollar

Hier ist die Geschichte: Midjourney, das Unternehmen, das mit seinen surrealen KI-Bildern die Kunstwelt auf den Kopf gestellt hat, ist endlich im Video-Game angekommen. V1 ist nicht nur irgendein weiteres Tool – es ist Midjourneys Statement, dass sie auch in der Post-Image-Ära relevant bleiben wollen.

Das Schöne daran? Es funktioniert komplett anders als die Konkurrenz. Während OpenAI mit Sora 60-Sekunden-Blockbuster aus Textbeschreibungen zaubert und Google mit Veo 3 die kommerzielle Schiene fährt, macht Midjourney das, was sie immer getan haben: Sie fokussieren sich auf die kreativen Freaks.

V1 nimmt jedes beliebige Bild – selbst generiert oder hochgeladen – und verwandelt es in vier verschiedene 5-Sekunden-Clips. Klick auf „Animate“, fertig. Diese können dann auf bis zu 21 Sekunden erweitert werden. Das wars. Keine komplizierten Prompts, keine Hollywood-Ambitionen. Einfach nur: Hier ist dein Bild, jetzt bewegt es sich.

Die technischen Specs sind bewusst bescheiden: 480p-Auflösung bei 24 fps, kein Audio. Das ist 2025er Standards fast schon retro. Zum Vergleich: Runway Gen-4 macht bereits 4K, Google Veo 3 spuckt minutenlange Videos aus. Aber CEO David Holz verteidigt das als Features, nicht als Bugs: „Unser Ziel ist es, euch etwas Spaßiges, Einfaches, Schönes und Erschwingliches zu bieten, damit jeder experimentieren kann.“

Die Preise sind ein Statement

Hier wird es interessant: Ein Video kostet das Achtfache einer Bildgenerierung. Das klingt brutal, aber die Rechnung ist cleverer, als sie aussieht. Da jeder Video-Job 20 Sekunden Content produziert, entsprechen die Kosten pro Sekunde etwa denen für ein Standbild.

Mit anderen Worten: Midjourney macht Videos nicht teurer – sie machen sie billiger als die Konkurrenz.

  • Basic Plan (10$/Monat): Zugang zu V1 mit Standard-Credits
  • Pro Plan (60$/Monat): Unbegrenzte Video-Generierung im „Relax“-Modus
  • Mega Plan (120$/Monat): Priority-Queue und erweiterte Features

Nick St. Pierre, der sich selbst als „Midjourney-Evangelist“ bezeichnet (was für ein Job-Titel), rechnete vor: „20 Video-Clips für etwa 4 Dollar sind besser als 3 Dollar pro Video bei Veo.“ Midjourney hat angekündigt, die Preisstruktur im nächsten Monat zu überdenken – vermutlich sind die aktuellen Preise als Markteroberungs-Special gedacht.

Die Community ist gespalten – wie immer

Die ersten 24 Stunden nach dem Launch zeigen das übliche Muster: Die Midjourney-Hardcore-Fans sind begeistert, der Rest der Tech-Welt ist skeptisch.

Auf der positiven Seite steht Phi Hoang, dessen Twitter-Thread mit Beispielvideos viral ging. „Die Kohärenz ist beeindruckend“, schreibt er, „besonders bei Low-Motion-Szenen.“ Auch die Community-Moderatoren auf dem Midjourney-Discord sind zufrieden – das System läuft stabil, die Server sind nicht abgeraucht.

Auf Reddit sieht es anders aus. Dort bemängeln Nutzer „deutliche Lücken im Vergleich zu Sora-Klasse-Realismus“ und kritisieren gelegentliches Flickering bei High-Motion-Szenen. Ein User schreibt: „Es fühlt sich an wie Midjourney-Bilder, die sich halt bewegen. Nicht wie echte Videos.“

Bild anzeigen Stilisierte Illustrationen von Schädel-gesichtigen Astronauten in rot-weißen Raumanzügen, wahrscheinlich von einem AI-Modell wie Midjourney generiert

Aber genau das könnte Midjourneys Strategie sein. Ihre Bildgenerierung war nie hyperrealistisch – sie war artistisch, eigenständig, wiedererkennbar. Und jetzt bewegen sich diese Bilder halt.

Disney schlägt zurück: Der 109-Seiten-Showdown

Hier wird die Geschichte richtig wild. Nur eine Woche vor dem V1-Launch verklagten Disney, Marvel, Lucasfilm und Universal Studios Midjourney in einer 109-seitigen Klageschrift. Die Studiobossen sind richtig sauer.

Die Anklage ist heftig: Midjourney sei ein „quintessenzieller Copyright-Trittbrettfahrer und bodenloses Plagiat-Loch“. Die Studios werfen dem Unternehmen vor, ihre Charaktere – von Darth Vader über Homer Simpson bis zu Marvel-Helden – ohne Lizenz für das Training der KI-Modelle genutzt zu haben.

Das Timing ist kein Zufall. Die Klage zielt explizit auch auf zukünftige Video-Generierungen ab. Hollywood hat verstanden: Solange Midjourney nur Bilder machte, war das ärgerlich. Aber jetzt, wo sie Videos machen können? Das ist eine existenzielle Bedrohung.

Die Ironie: Midjourneys V1-Launch beweist praktisch die Berechtigung von Disneys Sorgen. Wenn ein 10-Dollar-Tool jeden dazu befähigt, Mickey Mouse-Videos zu erstellen, dann ist das Business-Modell der großen Studios in Gefahr.

Midjourney hat bisher nicht öffentlich auf die Vorwürfe reagiert. Was vermutlich klug ist, denn jede Stellungnahme könnte im Gerichtssaal gegen sie verwendet werden.

Die Tech-Giganten beobachten nervös

V1 tritt in einen brutal umkämpften Markt ein, und die Konkurrenz ist beeindruckend:

OpenAI Sora generiert 60-Sekunden-Videos mit photorealistischer Qualität, ist aber noch nicht öffentlich verfügbar. Google Veo 3 führt aktuell die Artificial Analysis Video Arena an und fokussiert sich auf kommerzielle Anwendungen. Runway Gen-4 bietet 4K-Auflösung und fortgeschrittene Kamera-Kontrollen für Profis. ByteDance Seedance 1.0 ist der aktuelle Spitzenreiter in Qualitäts-Rankings.

Aber Midjourney spielt ein anderes Spiel. Während die Tech-Giganten versuchen, Hollywood zu kopieren, baut Midjourney für die Creators. Ihre 20,9 Millionen Discord-User sind nicht Filmstudios – es sind Künstler, Hobbyisten, Meme-Maker, Indie-Entwickler.

Holz‘ verrückte Vision: „Echzeit-Weltsimulationen“

David Holz hat schon immer große Träume gehabt. Der Mann, der früher bei Leap Motion Hand-Tracking entwickelte, sieht V1 nur als Zwischenschritt einer viel ambitionierteren Roadmap.

„Wir brauchen Visuals – das waren unsere ersten Bildmodelle“, erklärt Holz in seinem charakteristisch entspannten Ton. „Wir müssen diese Bilder bewegen – das sind Videomodelle. Wir müssen uns durch den Raum bewegen können – das sind 3D-Modelle. Und wir müssen das alles schnell machen – das sind Echtzeit-Modelle.“

Das ultimative Ziel? KI-Modelle, die „in der Lage sind, Echtzeit-offene-Welt-Simulationen zu erstellen“. Stellen Sie sich vor: Komplette 3D-Universen, die in Echtzeit generiert werden, in denen Sie sich frei bewegen und mit allem interagieren können.

Bild anzeigen David Holz, CEO von Midjourney, demonstriert Hand-Tracking-Technologie mit einem Augmented-Reality-Headset

Das ist keine Spielerei. Holz spricht von einer direkten Konfrontation mit der Gaming- und VR-Industrie. In einem früheren Interview sagte er, er glaube, dass es in ein paar Jahren eine Konsole mit einem KI-Prozessor geben werde, der alle Spiele in Echtzeit simuliert. Er beschreibt Midjourneys Bildmodell bereits als „wirklich langsame Spiel-Engine“.

Die technische Roadmap ist klar:

  • Phase 2: 3D-Rendering-Tools und räumliche Navigation
  • Phase 3: Echtzeit-Interaktion und Weltsimulationen
  • Langfristig: Vollständig explorable, KI-generierte Universen

Bild anzeigen David Holz, Gründer von Midjourney, spricht während einer Präsentation

Die 200-Millionen-Dollar-Frage

Hier sind die nackten Zahlen: Midjourney hat 2023 200 Millionen Dollar Umsatz gemacht – ohne einen einzigen Marketing-Dollar auszugeben. Für 2024 prognostiziert das Unternehmen 300 Millionen Dollar. Mit nur etwa 100 Angestellten.

Diese Effizienz ist beeindruckend, aber auch fragil. Der Erfolg basiert komplett auf organischem Wachstum und Mundpropaganda. Wenn die Community das Vertrauen verliert – etwa durch den Disney-Prozess – könnte das ganze Kartenhaus zusammenbrechen.

Andererseits: 20,9 Millionen Discord-User sind eine Menge. Selbst wenn nur ein Bruchteil davon zahlende Kunden sind, reicht das für ein profitables Business. Und die Kundenloyalität ist beeindruckend – Midjourney-Nutzer wechseln selten zur Konkurrenz.

Warum das wichtiger ist, als es aussieht

V1 ist mehr als nur ein weiteres KI-Tool. Es ist ein Kulturwandel.

Seit Jahren dominieren Tech-Giganten die KI-Entwicklung mit ihren Milliardenbudgets und Supercomputer-Clustern. Midjourney beweist, dass ein kleines Team mit der richtigen Vision immer noch Durchbrüche schaffen kann. Sie haben nicht die besten technischen Specs, aber sie haben das beste Verständnis für ihre Community.

V1 demokratisiert Videogenerierung auf eine Art, die vor einem Jahr undenkbar gewesen wäre. Für 10 Dollar im Monat kann jetzt jeder bewegte Bilder erstellen. Das wird Konsequenzen haben – für Social Media, für Marketing, für Kunst, für alles.

Die Frage ist nicht, ob V1 technisch perfekt ist. Die Frage ist, ob es gut genug ist, um eine neue Generation von Creators zu inspirieren. Und darauf deutet alles hin.

Das Endspiel: Revolution oder Rechtsstreit?

Midjourney steht an einem Wendepunkt. V1 ist ein solider erster Schritt ins Video-Segment, aber die wahre Bewährungsprobe kommt mit dem Disney-Universal-Prozess.

Falls Midjourney unterliegt:

  • Das gesamte Geschäftsmodell steht in Frage
  • Neue rechtliche Präzedenzfälle für KI-Training entstehen
  • Die Vision der „Weltsimulationen“ wird schwer umsetzbar
  • Andere KI-Unternehmen müssen ihre Strategien überdenken

Falls sie gewinnen oder einen Deal machen:

  • Der Weg für noch ambitioniertere Projekte ist frei
  • Die Position gegenüber Tech-Giganten wird gestärkt
  • Die Revolutionierung interaktiver Medien kann weitergehen
  • Midjourney könnte zum Vorbild für KI-Startups werden

Was auch immer passiert – V1 ist bereits ein Statement. Es zeigt, dass Innovation nicht nur aus den Forschungslabors von Google und OpenAI kommt. Manchmal reicht es, wenn ein paar verrückte Visionäre in San Francisco beschließen, die Welt ein bisschen surrealer zu machen.

Für die 20,9 Millionen Midjourney-Nutzer beginnt heute ein neues Kapitel. Sie können ihre Träume jetzt nicht nur visualisieren – sie können sie zum Leben erwecken. Und das für den Preis eines Netflix-Abos.

Die Zukunft ist da. Sie bewegt sich mit 24 fps und kostet 10 Dollar im Monat.

Offizielle Quellen:

Technische Details & Vergleiche:

Community & Reaktionen:

Konkurrenz-Analyse:

Rechtliche Entwicklungen:

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